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“Die Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft ist der effektivste und beste Schutz gegen eine Ansteckung und Erkrankung” – Interview mit PD Dr. Edith Reuschel

PD Dr. med. Dipl.-Biol. Edith Reuschel ist sowohl Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Pränatalmedizinerin und Perinatologin, als auch Fachärztin für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Sie arbeitet als Funktionsoberärztin an der Klinik St. Hedwig, Krankenhaus Barmherzige Brüder, und in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe der Universität Regensburg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören auch die Mikrobiologie, Virologie und die Infektiologie.

 

© Edith Reuschel

EFCNI: Was ist Pertussis und wie verläuft die Erkrankung bei Früh- und Neugeborenen?

Reuschel: Pertussis ist die medizinische Bezeichnung für Keuchhusten. Dabei handelt es sich um eine meldepflichtige Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Bordetella pertussis hervorgerufen wird. Bordetella pertussis ist ein gram-negatives, bekapseltes, unbewegliches, aerobes Stäbchenbakterium, das dem menschlichen Organismus großen Schaden zufügen kann. Gerade bei Früh- und Neugeborenen verläuft eine Pertussis-Erkrankung in der Regel schwer und kann sogar in einzelnen Fällen zum Tode führen.

EFCNI: Welche Schutzmöglichkeiten gegen Pertussis gibt es?

Reuschel: Pertussis ist sehr ansteckend. Sie wird durch Tröpfcheninfektion übertragen, also durch Husten, Niesen und eventuell sogar durch das Sprechen miteinander. Durch die SARS-Cov-2-Pandemie sind den meisten diese Art Übertragungswege sicherlich bekannt. Die Inkubationszeit dauert etwa 10 Tage und man ist am ansteckendsten zum Ende der Inkubationszeit und in den ersten beiden Krankheitswochen. Um sich wirksam vor einer Ansteckung mit Pertussis zu schützen, helfen auch hier die AHA-Regeln, über die wir in der SARS-Cov-2-Pandemie viel gehört haben: also Abstand halten, auf äußerste Hygiene achten (Hände waschen, Hände-Desinfektion) und im Alltag Maske tragen. Einen 100%igen Schutz vor Ansteckung gibt es aber leider nicht, auch weil es manchmal schwierig sein kann, die Maßnahmen in bestimmten Situationen einzuhalten.

Behandelt wird eine Pertussis-Erkrankung durch Antibiotika. Es kommen sogenannte Makrolide (Azithromyzin, Clarithromycin und Erytrhromycin) zum Einsatz, die die Dauer der Krankheit verkürzen, aber nicht verhindern. Daher ist die Impfung der effektivste und beste Schutz gegen eine Ansteckung und Erkrankung.

EFCNI: Warum kann eine Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft sinnvoll sein?

Reuschel: Neugeborene sind in den ersten zwei Monaten ihres Lebens gegen eine Pertussis-Infektion vollkommen ungeschützt, da sie erst etwa 8 Wochen nach der Geburt vom Kinderarzt bzw. der Kinderärztin geimpft werden. In dieser Lebensphase sind die Babys im Falle einer Pertussis-Infektion äußerst gefährdet, denn sie haben, falls die Mutter weder geimpft noch Keuchhusten durchgemacht hat, keine schützenden mütterlichen Antikörper. Ihnen fehlt dann der Nestschutz. Die Krankheitsverläufe bei Neugeborenen können zudem sehr schwer sein und enden in manchen Fällen sogar tödlich.

EFCNI: Was ist Nestschutz und wie funktioniert er bei der Pertussis-Impfung?

Reuschel:  Unter Nestschutz versteht man den natürlichen, passiven und begrenzten Schutz des Säuglings und Kleinkindes (bis maximal zum zweiten Lebensjahr), der dadurch entstanden ist, dass entweder schon über die Plazenta im Mutterleib oder durch Muttermilch Antikörper gegen Infektionskrankheiten übertragen wurden. Die Mutter hat während ihres bisherigen Lebens entweder durch eine Impfung oder nach einer durchgemachten Erkrankung einen Immunschutz gegen bestimmte Krankheiten erworben. Diesen Schutz gibt sie dann entweder durch den Mutterkuchen während der Schwangerschaft oder über die Muttermilch nach der Geburt an ihr Kind weiter.

Im Falle der Pertussis-Impfung funktioniert der Nestschutz so, dass die Mutter nach der Impfung in der Schwangerschaft hohe schützende Antikörper-Spiegel gegen das Bakterium bildet und diese Pertussis-Antikörper dann über die Plazenta an ihr ungeborenes Kind weitergibt. Das Baby verfügt somit bei der Geburt bereits über eine große Anzahl an Antikörper gegen die Erkrankung und ist so in den ersten Monaten seines Lebens geschützt.

EFCNI: Manche machen sich Sorgen, dass eine Impfung das Immunsystem schädigt, sowohl von der Schwangeren als auch vom ungeborenen Kind. Wie sicher ist die Impfung?

Reuschel: Eine Impfung schädigt das Immunsystem nicht, sondern bereitet es vielmehr auf die Bekämpfung einer Erkrankung vor und verleiht ihm die nötigen Schutzmechanismen. Auf Viren und Bakterien reagiert das Immunsystem mit mehreren Abwehrstrategien. Eine davon ist die Bildung von Antikörpern, die bei der Abwehr von Krankheitserregern helfen und so eine kontrollierte Ausbreitung dieser im Körper verhindern. Der Körper bildet gleichzeitig auch Zellen, die sich Oberflächenstrukturen und Bestandteile der eindringenden Erreger merken, sog. „Gedächtniszellen“. Diese sind bei einem späteren Kontakt mit den gleichen Bakterien in der Lage, umgehend die Bildung von passenden Antikörpern zu veranlassen. Dadurch können die Pertussis-Erreger, die das Immunsystem nun bereits kennt, blitzschnell unschädlich gemacht werden. Dieses „Mottos“ bedient sich die Impfung: Dem Körper werden Komponenten des Bakteriums präsentiert, sodass er Antikörper und Gedächtniszellen bildet und so später bei einem echten Kontakt mit dem Krankheitserreger sofort reagieren und die Krankheit abwehren kann. Er ist also immun gegen die Erkrankung.

Die Pertussis-Impfung in Deutschland ist sehr sicher. Es kommt ein sog. Toxoidimpfstoff zum Einsatz, also ein Totimpfstoff. Er ist azellulär, d.h. er enthält keinerlei Erreger-Zellen mehr, sondern nur zellfreie Extrakte oder hochgereinigte Komponenten des Bakteriums Bordetella pertussis. Dadurch wird der Körper animiert, Gedächtniszellen gegen Pertussis zu bilden und ist so bei einem etwaigen Kontakt mit einem Pertussis-Erreger gut gewappnet. Der Impfstoff gegen Pertussis wird im Säuglingsalter als Kombinationsimpfstoff zusammen mit anderen Impfungen z.B. gegen Diphtherie, Tetanus, Hepatitis B und Haemophilus influenzae verabreicht.

EFCNI:  Wann sollte in der Schwangerschaft gegen Pertussis geimpft werden und was passiert, wenn die Impfung in der Schwangerschaft verpasst wird?

Reuschel: Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt seit März 2020 eine Pertussis-Impfung für schwangere Frauen zu Beginn des 3. Trimenons. Im Falle einer drohenden Frühgeburt sollte die Impfung ins 2. Trimenon vorgezogen werden. Falls die Impfung in der Schwangerschaft verpasst wird, kann die Mutter in den ersten Tagen nach der Geburt geimpft werden. Ob Pertussis-Antikörper auch durch Muttermilch weitergegeben werden, ist nicht 100% gesichert. Aber durch die Impfung nach der Geburt wird verhindert, dass die Mutter aus Versehen den Erreger an ihr noch ungeschütztes Kind weitergibt.

EFCNI: Welche Rolle spielt das Aufklärungsgespräch mit der Patientin in der Praxis? Was gibt es aus ärztlicher Sicht dabei zu beachten?

Reuschel: Das Aufklärungsgespräch in der Praxis ist sehr wichtig, denn der Frauenarzt bzw. die Frauenärztin sollte eine Vertrauensperson für die schwangere Frau sein. Keine werdende Mutter will ihrem Baby schaden; davor hat sie große Angst. Aus ärztlicher Sicht gibt es dabei zu beachten, dass die Akzeptanz der Impfung in der Schwangerschaft nur dann gegeben ist, wenn die Frauen verstehen, dass die Impfung wichtig für die Gesundheit ihres Babys ist und dieses schützt. Die Empfehlung der eigenen gynäkologischen Praxis spielt dabei die größte Rolle.

EFCNI: Wie können Patientinnen effizient zu Vorsorgemaßnahmen in der Schwangerschaft informiert werden?

Reuschel: Am besten ist es, die Frauen in der Praxis bei den Vorstellungsterminen zu Vorsorgemaßnahmen wie auch der Pertussis-Impfung zu informieren. Man könnte z.B. beim Ultraschall im zweiten Trimenon dazu beraten und anschließend im dritten Trimenon impfen. Dabei ist das mündliche Gespräch mit guten Argumenten hinsichtlich des Nutzens, der Vorteile, der Sicherheit und der Wirksamkeit der Impfung bestimmt jedem „schriftlichen, in die Hand gedrücktem Flyer“ überlegen.

EFCNI: Vielen Dank für das Gespräch.

 

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