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Schutzlücken schon vor der Geburt schließen – Interview mit Dr. Marianne Röbl-Mathieu zur Keuchhusten-Impfung in der Schwangerschaft

In der Schwangerschaft rückt das Thema Gesundheit für viele Menschen besonders in den Vordergrund – schließlich soll sichergestellt werden, dass das (noch ungeborene) Kind einen guten Start ins Leben erhält. Während Aspekte wie Ernährung und Bewegung selbstverständlich eine große Rolle spielen, ist in den letzten Jahren auch das Thema Impfen wieder stärker in den Fokus gerückt. Dazu beigetragen hat auch die Tatsache, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) ihre Empfehlungen für Schwangere aufgrund von neuen Forschungserkenntnissen aktualisiert hat. So rät die STIKO beispielsweise seit 2010 zu einer Grippeimpfung während der Schwangerschaft – und seit Frühjahr 2020 auch zu einer Keuchhustenimpfung.

Keuchhusten sollte nicht unterschätzt werden

Gerade Keuchhusten kann für Säuglinge schnell gefährlich werden. Im Gespräch mit EFCNI erklärt Dr. Marianne Röbl-Mathieu, Mitglied der STIKO und Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit eigener Praxis in München, dass Säuglinge bei einer Keuchhusten-Erkrankung besonders gefährdet sind: „Wenn eine Keuchhustenerkrankung in den ersten zwei bis drei Lebensmonaten auftaucht, dann müssen Säuglinge in etwa drei Viertel der Fälle im Krankenhaus behandelt werden. Das ist natürlich immer sehr belastend für die Familien. Unter Umständen kann es im Einzelfall sein, dass das Leben des Kindes tatsächlich bedroht ist und manchmal nicht gerettet werden kann.“ Keuchhusten ist also eine ernstzunehmende Infektionskrankheit, die insbesondere Säuglingen sehr zusetzen kann, verfügen sie doch über keine eigenen natürlichen Abwehrkräfte gegen die Erkrankung.

Obwohl der Name auf den ersten Blick recht harmlos klingt, handelt es sich bei Keuchhusten um eine hochansteckende Erkrankung der Atemwege. Typische Verläufe zeichnen sich durch heftige, krampfartige Hustenattacken aus, gefolgt von keuchendem Einatmen – daher auch der Name der Erkrankung. Bei Säuglingen, die oft selbst noch nicht richtig husten können, verläuft Keuchhusten jedoch tendenziell atypisch. Sie bekommen oft nur schlecht Luft und in der Folge kann es dann zu Atemaussetzern oder Atemstillständen kommen. Auch Folgeerkrankungen wie Mittelohr- oder Lungenentzündungen sind möglich. Keuchhusten kommt ganzjährig und weltweit vor und ist in Deutschland eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Es gibt keine lebenslange Immunität gegen Keuchhusten – man kann im Laufe des Lebens also immer wieder an Keuchhusten erkranken.

Impfen kann schützen

Dennoch gilt: Eine Impfung gegen Keuchhusten gehört zu den besten Schutzmöglichkeiten gegen diese Erkrankung. Sie verringert das Risiko, überhaupt an Keuchhusten zu erkranken und beugt schweren Verläufen vor. Die STIKO empfiehlt dabei, die Impfung regelmäßig aufzufrischen, damit ein durchgehender Schutz aufgebaut werden kann.

Babys können ab dem 3. Lebensmonat in mehreren Teilimpfungen gegen Keuchhusten immunisiert werden. Wie Dr. Röbl-Mathieu jedoch erklärt, „ist nach einer einmaligen Impfung erst ein sehr begrenzter Schutz vorhanden. Die zweite Impfung findet dann zwei Monate später statt und dann wird schon eine höhere Schutzwirkung erzielt. Aber die dritte Impfung findet dann erst gegen Ende des ersten Lebensjahres statt und erst damit kann eine mehr als 90%ige Schutzwirkung erreicht werden.“ Die Impfung schützt also das Baby vor einer potentiell gefährlichen Keuchhusten-Erkrankung, braucht aber auch etwas Zeit, um die volle Wirkung entfalten zu können. Dadurch entsteht, so betont es die Expertin gegenüber EFCNI, „eine Schutzlücke zwischen der Geburt und dieser ersten bzw. zweiten Impfung.“ Sie warnt: „Das ist genau das Lebensalter, in dem Säuglinge am meisten gefährdet sind, erstens nicht nur zu erkranken, sondern zweitens dann auch im Krankenhaus behandelt werden zu müssen.“

Impfangebote schon während der Schwangerschaft wahrnehmen

Eine Möglichkeit, diese Schutzlücke zu schließen, stellt die Keuchhusten-Impfung während der Schwangerschaft dar. Wird die werdende Mutter zwischen der 28. und 32. Schwangerschaftswoche (bei Verdacht auf eine Frühgeburt auch schon früher) gegen Keuchhusten geimpft, so überträgt sich ein Schutz auch auf das noch ungeborene Kind.

Dr. Röbl-Mathieu erläutert dazu: „Durch die Impfung bildet die schwangere Frau neue Antikörper gegen dieses Bakterium, das den Keuchhusten auslöst. Der Mutterkuchen überträgt dann im Laufe der Schwangerschaft diese Antikörper mit zunehmendem Wirkungsgrad auf das noch ungeborene Kind. Am Ende der Schwangerschaft hat man im Nabelschnurblut sogar eine höhere Konzentration dieser Antikörper als man sie im Blut der Mutter selber findet.“ Dadurch, so das STIKO-Mitglied, komme das Kind bereits mit einem Keuchhusten-Schutz auf die Welt und sei in den ersten Lebensmonaten geschützt. „Man kann sich das wie eine Art passive Impfung für das Kind vorstellen,“ konkretisiert sie. Damit diese „Art passive Impfung“ auch funktionieren kann, muss aber in jeder Schwangerschaft neu geimpft werden – unabhängig davon, wie lange die letzte Impfung her ist.

Nun ist Impfen, gerade während der Schwangerschaft, natürlich ein etwas sensibles Thema, das auch viele Fragen aufwirft. Im Gespräch mit EFCNI bekräftigt Dr. Röbl-Mathieu daher noch einmal, dass die Keuchhusten-Impfung in der Schwangerschaft sicher ist: „Es gibt ganz, ganz viele Studien, die die Sicherheit der Impfung für die Schwangere und das Kind untersucht haben. Für die STIKO-Empfehlung der Impfung wurden beispielweise Studien herangezogen, bei denen mehr als 1,4 Millionen Schwangere berücksichtigt worden sind. Diese Studien haben gezeigt, dass die Impfung in keiner Weise den Schwangerschaftsverlauf oder die Entwicklung des ungeborenen Kindes ungünstig beeinflusst.“ Auch bei den Schwangeren selbst gebe es im Prinzip kaum einen Unterschied im Nebenwirkungsspektrum im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen. Lediglich eine leichte Fieberreaktion nach der Impfung sei etwas häufiger zu beobachten gewesen. „Aber ansonsten gab es keinerlei Hinweise auf irgendwelche schädlichen Auswirkungen der Impfung auf die Mutter oder das Kind – die Impfung ist sicher,“ so die renommierte Ärztin.

Aus ihrer Erfahrung heraus ist ein einfühlsames und faktenbasiertes Aufklärungsgespräch der Schwangeren hilfreich bei der Impfberatung. Dr. Röbl-Mathieu beschreibt ihre Praxiserfahrung so: „Ich glaube, dass man damit auch am meisten Vertrauen schaffen kann, wenn man einfach die Dinge benennt und auch erklärt, wie sie funktionieren.“ Denn werdende Mütter seien normalerweise außerordentlich motiviert, alles für die Gesundheit ihres noch ungeborenen Kindes zu tun – und die Schutzimpfung gegen Keuchhusten schon während der Schwangerschaft kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Mehr zum Thema Keuchhusten-Impfung in der Schwangerschaft finden Sie auch auf unserer Kampagnenwebseite. Die komplette Interviewreihe finden Sie  in unserer Playlist.

 

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